Muisbijer Klös

Glosse zur Pfarrerhebung von Mausbach im Jahr 1805

Gegen den Willen der Nachbarn wurde das Dorf Mausbach 1805 vom frankophilen Aachener Bischof Berdolet zur Pfarrei erhoben. Es mag dabei und schon im Vorfeld seitens des Klerus und der Mausbacher Meliores nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein: Diebstahl, Korruption, Spott.

Veröffentlicht als "Mausbacher Annekdote", in: "Auf dem Zeitpfeil von der Römerzeit bis gestern", S. 141-142, Verl. Arbeitskreis Geschichte Mausbach, ISBN 978-3-00-066023-8

Kläuse, Klüngel und Klau

Muisbijer Klös1 nennt der Volksmund die Nachbarn in Mausbach nach dem Nikolaus-Patrozinium der dortigen, 1891 abgebrochenen Kapelle. Seit wann das so ist, das ist unbekannt. Doch noch heute ist jeder Mausbacher nach Herkunft oder Wohnort ein "Klaus". Nur "Kläusinnen", die gibt es nicht. Das Patrozinium des hl. Nikolaus gibt es in Mausbach auch nicht mehr. Denn mit der 1804 konsekrierten Pfarrkirche wurde Mausbach dem hl. Markus unterstellt. Dass die Mausbacher dennoch Klös geblieben und keine "Marküsse" geworden sind, ist vermutlich eine Trotzreaktion auf die Pfarrerhebung von Mausbach im Jahr 1805. Nach Ansicht der Gressenicher Nachbarn nämlich war die Pfarrkirche bloß der Muisbijer Seel, der Mausbacher Schweinestall. Klös bezeichnet aber auch die Bohne, und Muisbijer Klös könnte man demnach als "dumm wie Bohnenstroh" interpretieren. So oder so, die Pfarrerhebung sah man wohl, wie der Volksmund heute sagen würde, als geklüngelte Abzocke an, und die ging demnach so:

Vor dem Hintergrund, dass die strikt antiklerikale Politik der französischen Republik seit 1795 aufgegeben wurde und schließlich im Konkordat von 1801 der Katholizismus zur "Religion der großen Mehrheit der französischen Bürger" erklärt worden war, versammelten sich 1801 im Haus des zugezogenen Mausbachers Urban Salmagne einige Herren. Die Gründung des Bistums Aachen und damit die Neuordnung der Pfarreien stand an, und die Gunst der Stunde nutzend beschloss man, die Pfarrerhebung Mausbachs zu betreiben. Johannes Arnold Salmagne aus Mausbach war derzeit als "Pater Wolfgang" im Kapuziner-Kloster zu Aldenhoven. Da war die Säkularisation zugunsten der deutschen Fürsten auf dem Raststatter Kongress bereits abgemachte Sache2, und tatsächlich vollzog Bayern auf seinem Territorium schon im Januar 18023. Im Sommer war dann auch das Kloster Aldenhoven an der Reihe.

Pater Wolfgang zog es also zurück nach Mausbach und beim Abschied aus Aldenhoven "rettete" er vorsorglich das dortige, die Wallfahrt in Aldenhoven stiftende Marien-Gnadenbild von 1654 "vor den Franzosen" und brachte es mit. Mit dieser "Rettung" verhält es sich nun so, dass das Gnadenbild, ein hölzernes Püppchen, bequem in die Hosentasche passte und Salmagne die "Rettung" von langer Hand vorbereitet haben musste, denn er hinterließ eine getreue Kopie. Abb.

Man muss wissen, dass sich solcherart Gnadenbilder ganz hervorragend zu katholischen Gründungen eigneten, schrieb man diesen doch eine Heil- und Wunderwirkung zu, was sich ausgezeichnet vermarkten ließ und so manchen Ort wohlhabend gemacht hat. So führten die Mausbacher die spätere Tatsache, dass keiner der zum Krieg von 1870/71 eingezogenen Mausbacher Burschen in demselben vom Leben zum Tode gebracht worden war, auf die Verwahrung des "geretten" Gnadenbilds zurück und bewarben ihr Dorf bis ins 20. Jh. hinein als Wallfahrtsort.

Salmagne machte sich nun sogleich ans Werk und erbat sich vom Bischof des neuen Bistums Aachen, dem Napoleon-Verehrer Marc Antoine Berdolet, die Erlaubnis, in der Mausbacher Kapelle Gottesdienste abzuhalten. Da die Kapelle an der Süßendeller Straße auf der Grenze zur Fleuth aber nicht den Platz bot, um den Anforderungen an eine Pfarrkirche zu genügen, ließ er einen scheunenartigen Holzanbau errichten, und schon damit kam es zum besagten Mausbacher Schweinestall. Zugleich ging er an die Errichtung der Markuskirche am Dorfplatz.

Eiligst, denn die 1803 angefangene, schon 1804 konsekrierte Kirche war erst 1807 vollendet und bald schon zu klein, und doch wurde Mausbach 1805 zur Pfarre erhoben.

Unterdessen war Bischof Berdolet in seinem neuen Bistum zu einer Neuordnung der Pfarreien angehalten. Dass dies sich die Herren, die sich im Hause des Urban Salmagne getroffen hatten, zu Nutze machten und dem Pater Wolfgang die Pfründe verschaffte, liegt auf der Hand. Dass Klüngel im Spiel war, lässt sich vermuten. Jedenfalls lautete das Mausbacher Patrozinium nun nicht mehr auf den hl. Nikolaus, sondern auf den Namenspatron von Bischof Marc Antoine Berdolet, den hl. Markus.

Der Gressenicher Bürgermeister war verständlicherweise nicht begeistert. Denn nun mussten drei Pfarrer, die von alters her in Gressenich und Vicht und der neue in Mausbach, aus dem Gemeindevermögen mitversorgt werden, und um das war es nicht üppig bestellt: Die Mairie Gressenich hatte im Jahr 1800 gerade mal 1.853 Einwohner und Pastor Salmagne selber sprach noch 1816 über die weit verbreitete Armut in der Gegend. So erschien die Mausbacher Pfarrerhebung als ein Akt persönlicher Bereicherung.

Anscheinend haben die Mausbacher selber die Sache als Deal zwischen Salmagne und dem Franzosen Berdolet verstanden, denn der Pfarrer war wohl nicht sonderlich beliebt in Mausbach. Andererseits hatten die Dörfler keinen Einfluss darauf, wer ihnen als Pfarrer vorgesetzt wurde, außer dass sie dem Pastor das Leben schwer machen konnten. Doch man gab eben weit mehr darauf, am Ort ein Gnadenbild zu haben – so wohl auch das Kalkül von Salmagne – als es schwarze Schafe nicht nur der Priesterröcke wegen gab. Denn als die Aldenhovener um 1884 herausbekamen, wo ihr Gnadenbild abgeblieben war4, wurde dasselbe noch dreimal zwischen Mausbach und Aldenhoven hin- und hergeklaut. Heute liegt es warm und trocken im Panzerschrank des Mausbacher Pfarrhauses.

Was den Aldenhovenern die "Spitzbuben" waren, sind den Gressenichern also bis heute die Klös geblieben und nie zu "Marküssen" geworden.